Unterrichtsverlauf in Schritten
Zeit:
Unterrichtsgang Archiv: 2-3 mal 45 Minuten
Nachbereitung: 45 Minuten
1. Schritt: Kennen lernen des Pfarrarchivs als Aufbewahrungsort für wichtige Bild- und Schriftquellen aus der Vergangenheit der Ortskirche
- Unterrichtsgang in das Pfarrarchiv: Der Archivar erklärt, dass hier schriftliche Aufzeichnungen über die Kirche gesammelt und erhalten werden.
- Impuls der Lehrkraft zur Wiederholung: „Ihr wisst schon, wie man solche Reste aus der Vergangenheit nennt, mit deren Hilfe wir Fragen an die Vergangenheit beantworten können!“
- Schülerantwort: „Das sind Quellen. Wir haben schon Bild- und Sachquellen benutzt.“
- Impuls der Lehrkraft: „Nach bestimmten schriftlichen Quellen wollten wir hier im Archiv suchen!“
- Schüleräußerung: „Wir suchen schriftliche Notizen über das Aussehen der Kirche in der Vergangenheit.“
2. Schritt: Suche nach schriftlichen Quellen, die Auskunft über das Aussehen der Kirche geben können
- Archivar: „Es ist schwierig, darüber etwas zu finden, denn es gibt leider kaum Texte, in denen das Aussehen der Kirche geschildert wird. Es wurde nicht alles aufgeschrieben. Hauptsächlich schrieb man Dinge auf, die für die Kirche wichtig waren. Könnt ihr euch vorstellen, was notiert wurde?“
- Schülervermutungen: „Vielleicht, wer hier Pfarrer war, wer getauft, wie viel Geld ausgegeben wurde. Es könnte auch sein, dass man hier eine Notiz findet, was für neue Kirchenfenster ausgegeben wurde.“
- Der Archivar zeigt evtl. eine Pfarrmatrikel, in der Taufen verzeichnet sind.
Hinweis: Als Beispiel könnte man die Taufe eines Kindes heraussuchen und Leseversuche am Originaleintrag in der Matrikel anstellen. - Der Archivar präsentiert dann eine alte Rechnung für Umbauten in der Kirche. Auch hier stellen die SchülerInnen zunächst Leseversuche an. Der Archivar liest in Originalsprache vor, die SchülerInnen versuchen den Sinngehalt zu verstehen.
Hinweis: Wenn der Text zu lange oder schwer verständlich ist, kann man ihn den SchülerInnen zusätzlich in Form einer Transkription anbieten. - Feststellung: „Wir erfahren aus der alten Rechnung, wann neue Altäre in die Kirche eingebaut wurden, was dies gekostet hat. Deren Aussehen kann man leider nicht ablesen.“
3. Schritt: Präsentation einer für die Vergangenheit der Kirche bedeutenden Urkunde – äußere Analyse
- Der Archivar zeigt eine Urkunde aus dem Jahr 1433 (über die Stiftung einer täglichen Messe in der Forstenrieder Kirche durch ein Münchner Bürgerehepaar)
Urkunde Gesamtansicht
- Spontanäußerungen; Sammlung von Äußerungen zu Aussehen, zu Größe und Schrift der Urkunde (handgeschriebener Text, ungewöhnliches Format, fremdartige Schrift), etwa: „An diesem Blatt hängt ein rundes Ding, das vermutlich aus Wachs ist aber wie ein Geldstück aussieht. Die Schrift ist anders als unsere, der Text ist mit der Hand geschrieben. Am Anfang des Textes ist etwas gemalt oder verziert. Das Papier ist ziemlich groß.“
- Klärung des Begriffs 'Urkunde': „Das Ding, das an diesem Schriftstück hängt ist ein Siegel aus Wachs. Es zeigte den Menschen, dass der Inhalt rechtlich gültig war, weil nur Amtspersonen ein solches Siegel verwenden durften. Das ist so ähnlich wie bei euerem Zeugnis oder bei Siegerurkunden der Bundesjugendspiele!“ (evtl. ein Zeugnis oder eine Siegerurkunde zeigen)
- Schüleräußerungen: „Auf dem Zeugnis ist ein Stempel der Schule, auf der Urkunde ein eingeprägtes Zeichen. Die Urkunde mit dem Wachssiegel war damals sicherlich sehr bedeutend.“
4. Schritt: Leseversuche vornehmen
- Leseversuche der SchülerInnen an der Urkunde: zunächst freie Entzifferung von beliebigen Wörtern; dann kann die Lehrkraft einige Wörter herausgreifen, die leicht zu entschlüsseln sind. Als Beispiele eignen sich unter anderem den Schülern heute noch bekannte Ortsbezeichnungen oder Namen (hier: „Munichen“ für München, „kirch ze forstenriede“ für Kirche zu Forstenried)
Urkunde, Auschnittsansicht
- Schließlich kann man noch einen inhaltlich leicht verständlichen und bedeutsamen Ausschnitt in Transkription anbieten, um daran Leseversuche zu unternehmen, zum Beispiel: „das heilig kreucz ze forstenried yn freisinger bistum bey Munichen gelegen doselben wirt geert vnd haymgesuht vnd die selb kirch ze forstenried von alter ain pfarrkirch ist“.
- Alternativ könnte auch die Lehrkraft, der Archivar oder ein lesestarker Schüler diesen Abschnitt vorlesen. Hier bekommen die SchülerInnen den Auftrag, etwas vom Inhalt des Textes in mittelhochdeutscher Sprache zu verstehen. Wichtiger ist hier aber, sich der fremdartig klingenden Sprache bewusst zu werden.
Hinweis: Falls das Original besonders wertvoll ist, sollte man den SchülerInnen für Leseversuche eine Kopie anbieten. Dies hat auch den Vorteil, dass sie ihre Finger zum Lesen benutzen können. In dieser Phase sollen die Lernenden nicht in erster Linie den Sinngehalt der Urkunde vollständig verstehen, sondern vielmehr einen Eindruck von der Andersartigkeit der mittelalterlichen Schrift und Sprache erhalten, schließlich auch feststellen, dass wir den Urkundentext in unsere heutige Sprache erst übersetzen müssen und dass dies auch möglich ist.
5. Schritt: Inhalt des Urkundentextes erschließen
(siehe auch Die historisch-kritische Methode – der geregelte Umgang mit Quellen)- Nun werden die SchülerInnen dazu angeregt, ihre Erwartungen an den Inhalt der Urkunde (am besten in Frageform) zu äußern: „Auf welche Fragen könnte die Urkunde Antwort geben?“
- Mögliche Schüleräußerungen: „Wann wurde die Kirche gebaut? Von wem wurde sie gebaut? Wie lange hat es gedauert? Wer war hier Pfarrer? Wie lange war er Pfarrer? Was hat er gemacht? Wie viele Menschen waren in der Pfarrei? Was war mit dem Kreuz? Wurde die Kirche umgebaut?“
- Die SchülerInnen erschließen inhaltlich den Quellentext.
Hier erscheint eine Differenzierung nach Leistungsvermögen der Lernenden angebracht: - Leistungsstarken SchülerInnen bietet man wichtige Auszüge der Transkription im Rahmen einer arbeitsteiligen Gruppenarbeit an.
- Für leistungsschwächere SchülerInnen kann man den wesentlichen Inhalt der Urkunde in einer Übersetzung zusammenfassen; dies hat den Vorteil, dass der Text leicht verständlich und deshalb rasch erschließbar ist, aber auch den Nachteil, dass er den Reiz der Fremdheit verliert.
- Vorschläge dazu im Materialteil. Evtl. im Klassenzimmer
6. Schritt: Reflexion: Aufbewahrungsort von Quellen – Bedeutung der Urkunde in der Vergangenheit
- Impulse (nacheinander): „Heute haben wir eine Quelle in schriftlicher Form benutzt, um Antworten auf Fragen an die Vergangenheit zu erhalten. Sie wird an einem besonderen Ort aufbewahrt! Das Schriftstück war für die damalige Zeit sehr bedeutend!“
- Schüleräußerung: „Das war die Urkunde. Sie setzte Rechte von Leuten fest. Wichtige schriftliche Aufzeichnungen über unsere Kirche werden im Original im Archiv aufbewahrt.“
- Impuls: „Warum haben wir nicht in einer Bücherei oder Bibliothek danach gesucht?“
- Schüleräußerung: „Dort werden (heute) gedruckte Bücher aufbewahrt.“
7. Schritt: Epochale Einordnung der Urkunde
(Siehe dazu auch 2.1.3 Strukturieren und Systematisieren – die Zeitleiste)- Impuls: „Der Zeit, aus der diese Urkunde stammt, hat man einen besonderen Namen gegeben.“ Die Lehrkraft hängt einen Farbstreifen an die Zeitleiste, der die Zeit des Mittelalters umfasst (ca. 500 bis 1500). Auf dem Streifen steht „Mittelalter“.
- Schüleräußerungen: „Die Zeit heißt Mittelalter und dauerte von ungefähr 500 bis 1500. Die Urkunde wurde ziemlich am Ende des Mittelalters geschrieben. Das Mittelalter dauerte 1000 Jahre, das ist eine sehr lange Zeit." (evtl. Vorstellungshilfen geben, z. B. mit Streifen für 100 Jahre auslegen und ausrechnen, wie oft eine Generation, also 30 Jahre, in den Zeitraum des Mittelalters passt)
- Impuls: „Vielleicht kannst du dir nun denken, wie die Zeit vor und nach dem Mittelalter genannt wird!“
- Schüleräußerungen etwa: „ ’Vorderalter’ und 'Hinteralter' " (Diese Versuche unbedingt als mögliche, allerdings nicht übliche Bezeichnung gelten lassen)
- Die Lehrkraft nennt die fachlichen Bezeichnungen undzeigt die entsprechenden Streifen für „Altertum“ und „Neuzeit“, welche die SchülerInnen an die Zeitleiste heften und entsprechend kommentieren.
8. Schritt: Reflexion über die Antworten auf die Fragen an die Vergangenheit, die aus der Urkunde erhältlich sind
- Im Unterrichtsgespräch sollten schließlich folgende wesentlichen Erkenntnisse über den Wert der Urkunde als schriftlicher Quelle bewusst gemacht werden:
- Der Urkundentext gibt Antwort auf einige Fragen, welche die SchülerInnen eingangs gestellt hatten (kurz zusammenfassen), aber viele bleiben unbeantwortet;
- er enthält darüber hinaus neue Informationen (z. B. Wer wählte den Priester für Forstenried aus? Wer interessierte sich für die Forstenrieder Kirche? Warum? Wovon ernährten sich die Leute damals?);
- nicht alles, was wir heute wissen möchten, wurde schriftlich fixiert, sondern Dinge, die damals rechtlich wichtig waren. Deshalb kann man nicht alle uns interessierenden Fragen an die Vergangenheit lückenlos beantworten.
9. Schritt: Problematisierung
- Fragestellung für die Folgestunde entwickeln; Impuls: „Aus dem Urkundentext haben wir erfahren, dass das romanische Kreuz in der Forstenrieder Kirche verehrt wurde und Leute kamen, um es anzusehen!“
- Alternativ: nochmals die entsprechende Stelle der Urkunde vorlesen oder den Folientext zeigen
- Mögliche Schülerfrage: „Warum kamen eigentlich so viele Leute gerade zu diesem Kreuz in der Forstenrieder Kirche?“
10. Schritt: Festhalten der Ergebnisse
- Die herausgefundenen Antworten auf Fragen an die Vergangenheit und die Ergegnisse der Reflexionsphase über den Umgang mit der Quelle sollten schriftlich festgehalten werden (Materialteil)
- auch der Urkundenbegriff, die Erkenntnisse über den Wert der Urkunde als schriftliche Quelle, die Abgrenzung von Archiv und Bibliothek könnten schriftlich fixiert werden (Materialteil)